Auschnitt 1 aus Heribert und seine Kontaktlinsen
...Die Sonne ging auf und schien in sein Zimmer. Langsam trocknete sie die Sabber auf seinem Kissen...
Er stopfte seine Storchenbeine in seine Cordhose, fasste sich kurz durch das Haar und rannte die Treppe runter. Er hatte gestern Abend vergessen die Ziege zu „füttern“ und er hoffte, dass sie nicht übermäßig hart mit ihm ins Gericht ginge. Die Ziege war verschwunden, das Gehege war leer und das Gatter war aufgebrochen. Diese Tatsache verhieß nichts Gutes. Nicht mal in seinen kühnsten Träumen konnte Heribert sich ausmalen, was die Ziege alles anstellen konnte wenn sie ihre täglich Ration Zigaretten nicht bekam. Schnell lief er zurück ins Haus und wählte auf der Wählscheibe des alten Telefons im Hausflur, die 110.
„Polizeiuntermeister Kolbenbrücker am Apparat. Wo brennt‘s denn?“, fragte der Polizist an der anderen Leitung.
„Meine Ziege ist weggelaufen und…“, sprach Heribert mit nervöser Stimme in den Hörer.
„Okay mein Junge. Wie sieht dein Zieglein denn aus?“, unterbrach ihn der Polizist und Heribert hatte die Befürchtung, dass der Mann den Ernst der Lage nicht richtig kapierte.
„Wie eine Ziege halt. Hören Sie zu! Das Ding ist äußerst gefährlich und kann auch naja bei Ziegen kann man das ja so nicht sagen… Sie kann handgreiflich werden, also hufgreiflich eher. Wissen Sie was ich meine?“, fragte Heribert den Hörer, denn der Polizist hörte schon längst nicht mehr zu.
„Okay mein kleiner. Die Polizei wird sich um dein Zicklein kümmern.“, versprach der Polizist und legte auf.
Danach rief Heribert seinen Freund Herbert an: „Haaallo? Wer ist denn da?“, fragte Herbert müde und auch leicht gereizt.
„Du musst sofort hier her kommen. Nikotini ist abgehauen und wir müssen sie suchen bevor sie jemanden…“, Heribert musste theatralisch schlucken bevor er weitereden konnte, „…bevor sie jemanden umbringt, Herbert!“
„Es ist noch nicht mal halb 6 Heribert und ich habe heute meinen letzten freien Tag. Ich kann doch nicht…“
„Du musst! Das Leben unzähliger Menschen steht auf dem Spiel. Heute ist Sonntag und da gehen alle zur Kirche.“, sagte Heribert aufgeregt, „Bis dahin müssen wir die Ziege in sicherer Verwahrung haben.“
„Okay ich komme! Ich bin in 10 Minuten da!“, gab Herbert sich geschlagen.
Eine halbe Stunde später hörte Heribert die Rosinante in den Hof einfahren und er rannte wie ein Feuerwehrmann die Treppe runter und hinaus auf dem Hof, wo Herbert noch halb schlafend auf ihn wartete. Heribert setzte sich hinten auf den Notsitz, stellte seine Füße auf die Raster und klopfte Herbert mit Nachdruck auf die Schulter und gab das Zeichen, dass er endlich Gas geben sollte.
„Looos! Hol alles aus der Rosi raus!!“, schrie Heribert und der Hinterreifen drehte durch und warf ein paar Steinchen gegen die Wand des Kuhstalls. Die beiden rasten ins Dorfinnere, drehten ein paar Runden um den Marktplatz und fuhren dann weiter. Die Ziege war jedoch nicht in Sicht. Sie fuhren bis an den Rand des Dorfes, wo man vor ein paar Jahren einen modernen Supermarkt aufgestellt hatte. Doch die Ziege war nicht auffindbar und sogar die Polizei war auf der Suche. Man hatte ihn also doch ernst genommen, dachte sich Heribert. Doch der Polizeiwagen jagte jemand völlig anderes.
„Scheiße die Bullen!“, schrie Herbert und drehte ruckartig am Gas. Er hatte ja keinen Führerschein und wenn die Polizei ihn erwischte konnte er sich auf eine saftige Geldstrafe gefasst machen. Die Polizei nahm die Verfolgung auf und Polizeiuntermeister Kolbenbrücker schaltete die Sirene und notfalls auch noch Interpol ein, sollte ihnen der Delinquent diesmal wieder durch die Lappen gehen.

Herbert wusste, dass er auf der offenen Straße keine Chance gegen die Polizei hatte, er musste sich also schnell einen Fluchtweg durch enge Gassen oder notfalls auch übers Feld einfallen lassen.
„Hör mal zu Herbert! Kannst du mich nicht absteigen lassen und alleine weitermachen. Ich suche währenddessen Nikotini!“, schlug Heribert vor. In Wahrheit hatte er Angst um sein Leben, den Herbert fuhr wie ein geisteskranker Irrer oder ein irrer Geisteskranker, so ganz sicher war er sich in diesem Punkt noch nicht. Auf jeden Fall wollte er nicht den Heldentod sterben.
Herbert bremste scharf, lehnte sich nach rechts und bog in eine enge Gasse ein. Der Polizeiwagen kam schlitternd zum Stehen und Polizeiuntermeister Kolbenbrücker biss vor lauter Wut in das teure Wurzelholzlenkrad.
„Ha ha ha wir habens geschafft!“, jubelte Herbert und fuhr wieder auf den Bauernhof zurück. Mitten im Hof stand die Ziege und qualmte genüsslich eine Zigarette. „Schau da ist sie ja und wie friedlich sie ausschaut!“...

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