Captain Aldi und die neue Tüte
Als Captain Aldi das sah, wusste er nicht mehr weiter. Seine nagelneue Alditüte war zerrissen und lag halb zerfetzt auf seinem einzigen Stuhl, den er besaß. Monatelang war sie sein einziger Begleiter, denn sie diente ihm als treues Bekleidungsstück über den ganzen Winter. Sie schützte ihn zwar nicht vor der eisigen Winterskälte, aber dafür bewahrte sie die anderen Mitmenschen, vor dem Anblick seines schwabbeligen und schlagsahnefarbenen Bierbauches. Natürlich hatte er diesen Moment kommen sehen und hatte sich in weiser Voraussicht einen Ersatz geschaffen. Es war eine knallgelbe Einkaufstüte von Norma. „Damit fall ich doch auf wie ein bunter Hund im Katzenzirkus…“, dachte sich Captain Aldi. Außerdem war es nicht gerade seine Lieblings Discountermarke. Doch sein Magen brummte und grölte laut in den Raum hinein und zerstreute alle Zweifel. Er musste sich der Wahrheit stellen und vor die Türe gehen, denn seine Wohnung barg schon seit Wochen keine Lebensmittel mehr. Er schnappte sich die Tüte, zog sie über und ließ das Schloss in die Türe fallen.
Es war ein schöner Maitag und die Sonne brannte ihm ins Gesicht. Irgendwie fühlte er sich unwohl und die ihm, scheinbar feindlich, gesinnte gelbe Tüte tat ihr Übriges, indem sie ihm kräftig schwitzen ließ. Schweißüberströmt erreichte er die Haltestelle der Straßenbahn und stieg in diese ein.
Bahn
Tatort: Straßenbahn, Delikt: Geruchsbelästigung

Captain Aldi setzte sich einem jungen Mädchen gegenüber, die schlagartig die Oberfläche ihrer Vanity Fair Zeitschrift vergrößerte. Wahrscheinlich versuchte sie mit dieser Aktion, sich vor Captain Aldis ausgesandter Geruchswolke abzuschotten. „Netter Versuch Kleines…aber meiner Asozialität bist du nicht gewachsen.“, dachte sich Captain Aldi und grinste freundlich. Fluchtartig verließ das Mädchen den Sitzplatz und er konnte endlich seine, mit Badelatschen besohlten, Füße auf den Sitz legen. Nachdenklich betrachtete er seine Zehennägel. Einige befand er für zu lang und da er praktischerweise immer einen Nagelknipser dabei hatte, stutzte er sie auf die gewünschte Länge und kratzte nebenbei den darunter festhängenden Dreck heraus. „Ordnung muss sein!“, dachte er sich.
Wenig später erreichte die Bahn die Zülpicher Straße und Captain Aldi stieg zur Freude aller Weiterfahrenden aus der Bahn und begab sich zu Fuß zur Station des Roten Kreuzes. Am Eingang traf er seinen alten Kumpel Eddi. „Sag mal Captain Aldi…Was haben sie denn mit dir gemacht? Ich hätte dich fast nicht wieder erkannt mit dieser Tüte von der Konkurrenz.“, sagte Eddi.
„Ja Ja. Großes Trauerspiel…Ich hab eine Sekunde nicht aufgepasst und da hatt dieser blöde Pittbull von nebenan mir mein bestes Kleidungsstück zerfetzt.“, sagte Captain Aldi mit trauriger Miene.
„Ich habe dir schon oft gesagt du kannst zu mir ziehen. Du wohnst im falschen Milieu.“
„Ja bei dir in der Einflugschneise, wo alle zwei Minuten der Putz von der Decke fliegt. Da hab ich doch lieber meine Ruhe und lass mich hin und wieder mal vom Pittbull zwacken oder von einem Drogenjunkie ausrauben.“
Ohne weitere Worte betrat Eddi die Sozialstation wo man für wenig Geld eine warme Mahlzeit bekommen konnte und Captain lief ihm nach. „Was gibt’s denn heute zu essen?“, fragte er.
„Linsensuppe.“
„Was die gab es doch schon letzte Woche und die Woche davor…“
„Ja, wahrscheinlich ist auf der Autobahn ein Linsenlaster mit einem Pilzsuppenlaster zusammengestoßen und wir bekommen hier die Reste.“
Linsen
Heut' gibts frische Linsen!!

„Oh ja. Weißt du noch als der Schweinelaster von der großen Brücke fiel?“, fragte Captain Aldi.
„Ha Ha. So viel Steak hatte ich in meinem ganzen Leben noch nie.“
„Ach Eddi! Zum Glück leben wir in einer Runter-Werf-Gesellschaft, sonst könnte ich mir keine neue Alditüte leisten.“

Senf abgeben!